22. Februar 2023 | Menschen
22. Februar 2023 | Menschen
Ramona Nobs ist Leiterin des Ressorts höhere Berufsbildung beim SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation). Im Interview erklärt sie, warum die höhere Berufsbildung (HBB) in der Schweiz so wichtig ist und ordnet die Stärken, Herausforderungen und Entwicklungen der HBB ein.
Was sind die Stärken der höheren Berufsbildung?
Definitiv ihre hohe Arbeitsmarktorientierung und die Praxisnähe. Die HBB fördert das anwendungsbezogene Lernen, die rasche Umsetzung neuer Fachkenntnisse und einen hohen Innovationsrhythmus. Berufs- und Branchenverbände bestimmen, welche Kompetenzen in der Ausbildung vermittelt werden, und stimmen diese konsequent auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ab.
Absolvierende einer höheren Berufsbildung sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt und haben in der Schweizer Wirtschaft beste Karriereaussichten für anspruchsvolle Fach- und Führungsfunktionen.
Und vergessen wir nicht: Die höhere Berufsbildung schafft attraktive Angebote für Jugendliche mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) ohne Maturität.
Was sind die Unterscheide zwischen einem Berufsbildungsabschluss und etwa einem CAS?
Bei den Abschlüssen der höheren Berufsbildung handelt es sich um eidgenössische bzw. eidgenössisch anerkannte Abschlüsse, die schweizweit einheitlich geregelt sind. Die Inhalte werden von den Organisationen der Arbeitswelt definiert und garantieren dadurch den hohen Arbeitsmarktbezug. Im Gegensatz zu den formalen Abschlüssen der höheren Berufsbildung, die wie die Bachelor- und Masterstudiengänge der Hochschulen auf Tertiärstufe verankert sind, sind CAS Teil der hochschulischen Weiterbildung. Diese sind nicht reglementiert. Die Inhalte und Zulassungsbedingungen werden von den akkreditierten Hochschulen bestimmt.
Worin sehen sie die Herausforderungen der höheren Berufsbildung?
Eine Herausforderung sind die Akademisierung des Arbeitsmarkts und die zunehmende internationale Mobilität. So steht die höhere Berufsbildung beispielsweise in Konkurrenz zu anderen Bildungsangeboten und muss sich auf dem Markt behaupten. International ist es wichtig, dass wir für Absolvierende den Zugang zum ausländischen Arbeitsmarkt sowie zu internationalen Bildungsangeboten gewährleisten können.
Um die höhere Berufsbildung zu stärken, haben wir deshalb 2018 bundesseitig die sogenannte «subjektorientierte Finanzierung» eingeführt. Damit zahlen wir Bundesbeiträge direkt an Personen, die einen vorbereitenden Kurs für eine eidgenössische Berufs- oder höhere Fachprüfung besucht haben. Zudem erhalten Absolvierende der höheren Berufsbildung parallel zu ihrem HBB-Diplom einen sogenannten Diplomzusatz in englischer Sprache. Das macht die HBB-Abschlüsse für Arbeitgeber im In- und Ausland besser vergleichbar und erhöht die Mobilität der Absolvierenden auf dem Arbeitsmarkt.
Aktuell sind wir daran, über das Projekt «Positionierung höhere Fachschulen» die Attraktivität der Angebote der Höheren Fachschulen beizubehalten oder zu steigern. Damit das gelingt, benötigt es gezielte Optimierungen. Diese werden im Projekt verbundpartnerschaftlich erarbeitet.
Was sind die Kernpunkte der Initiative «Berufsbildung 2030»?
«Berufsbildung 2030» ist eine gemeinsame Initiative von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Ziel ist, Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft zu antizipieren und die Berufsbildung noch besser auf die Anforderungen von morgen auszurichten. Zum Beispiel mit Blick auf Megatrends wie Digitalisierung, steigende berufliche Mobilität oder den demografischen Wandel. Die zahlreichen laufenden Projekte zielen auf Lösungen für drängende Fragen. Hierzu gehören beispielsweise die Ausrichtung der Berufsbildung auf das lebenslange Lernen, die Flexibilisierung der Bildungsangebote, die Optimierung der Governance und Stärkung der Verbundpartnerschaft sowie die Digitalisierung und neue Lerntechnologien. Seit Ende 2018 wurden rund 30 Projekte lanciert.
Wie schätzen Sie als Bundesvertreterin das Engagement der Assekuranz in der Berufsbildung ein?
Der VBV ist in der höheren Berufsbildung als Trägerschaft der eidgenössischen Berufsprüfung für Versicherungsfachfrau/-mann und des Abschlusses dipl. Versicherungswirtschafter-/in HF engagiert. Damit stellt er für die Versicherungsbranche sicher, dass es innerhalb der Berufsbildung attraktive Weiterqualifizierungsangebote für Berufsleute nach dem EFZ gibt, welche auf Fach- und Führungsfunktionen vorbereiten.
Für das SBFI ist der VBV der zentrale Partner für die Berufe in der Versicherungsbranche. Die Zusammenarbeit ist konstruktiv und sehr engagiert.
Wie sieht unser System der höheren Berufsbildung im internationalen Vergleich aus?
Das Schweizer Bildungssystem gehört zu den leistungsstärksten der Welt. Wir verfügen über ausgezeichnete Hochschulen und vor allem auch über ein hervorragendes duales Berufsbildungssystem inklusive unserer einzigartigen höheren Berufsbildung. Unser duales System mit seiner hohen Durchlässigkeit trägt wesentlich dazu bei, dass die Schweiz eine der niedrigsten Jugendarbeitslosenquoten aufweist, rund 2,5-mal tiefer als der EU-Durchschnitt. Absolvierende einer höheren Berufsbildung verzeichnen statistisch die höchste Wahrscheinlichkeit, immer im Erwerbsleben zu stehen.
Abschlüsse der höheren Berufsbildung
Die höhere Berufsbildung ermöglicht Berufsleuten mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder einem gleichwertigen Abschluss auf Sekundarstufe II eine Spezialisierung und ein Vertiefen des Fachwissens. Ausserdem können Qualifikationen im Bereich der Unternehmensführung erlangt werden. Zusammen mit den Universitäten und Fachhochschulen bildet die höhere Berufsbildung die Tertiärstufe des schweizerischen Bildungssystems. Sie umfasst:
Eidgenössische Berufsprüfungen und höhere Fachprüfungen
Eine eidgenössische Berufsprüfung ermöglicht Berufsleuten eine fachliche Vertiefung und Spezialisierung nach der beruflichen Grundbildung. Sie wird mit einem eidgenössischen Fachausweis abgeschlossen, zum Beispiel als Versicherungsfachfrau/-mann mit eidg. Fachausweis. Eine eidgenössische höhere Fachprüfung qualifiziert Berufsleute als Expertinnen und Experten in ihrer Branche oder für Leitungspositionen in Unternehmen. Sie wird mit einem eidgenössischen Diplom abgeschlossen.
Bildungsgänge an höheren Fachschulen
Bildungsgänge an höheren Fachschulen richten sich an Berufsleute mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis oder einer gleichwertigen Qualifikation und fördern Kompetenzen im Bereich der Fach- und Führungsverantwortung. Die Bildungsgänge sind generalistischer und breiter ausgerichtet als die eidgenössischen Prüfungen. Sie werden mit einem eidgenössisch anerkannten Diplom HF abgeschlossen.