17. April 2024 | Menschen
17. April 2024 | Menschen
Anne-France Epelbaum praktizierte als Anwältin, bevor sie in die Versicherungsbranche wechselte. Die Entwicklung des rechtlichen Rahmens und die daraus notwendige schnelle Anpassungsfähigkeit der Branche faszinierte sie. Heute, nach 28 Jahren bei der Generali, sorgt sie als Chief Human Resources & Organization Officer mit ihrem Team dafür, dass das Unternehmen als attraktive Arbeitgeberin positioniert ist. Für Anne-France Epelbaum und ihr Team ist es wichtig, eine solide und zukunftsfähige Kultur und Denkweise im Unternehmen zu verankern. Im Interview führt sie aus, wie sich sicherstellen lässt, dass Investitionen in Weiterbildung auch einen Mehrwert generieren.
Was genau ist Ihre Aufgabe als Chief Human Resources & Organization Officer?
Nebst den traditionellen HR-Aufgaben, die effizient gestaltet werden müssen, legen wir besonderen Akzent auf unser Führungsmodell. Wir bilden unsere Führungskräfte aus, damit sie sich in der neuen Normalität bestmöglich engagieren, führen und zusammenarbeiten können. Eine weitere Priorität ist der Aufbau einer lernenden Organisation, die die Mitarbeitenden befähigt, Verantwortung zu übernehmen, Entscheide zu treffen, bereichsübergreifend zu arbeiten und mit ständigen Veränderungen umzugehen.
Was fasziniert Sie an der Versicherungsbranche?
Versicherungen erfüllen einen wichtigen Zweck in der Gesellschaft: Sie entsprechen dem Bedürfnis der Menschen, sich gegen Risiken abzusichern und vermitteln somit Sicherheit. Dieses Bedürfnis ist heute angesichts all der Instabilität, die uns umgibt, umso wichtiger.
Als ich anfing, gab es einen regen Austausch und einheitliche Vorgehensweisen innerhalb der Branche. Dies fiel mit der Zeit weg. Sie können sich vorstellen, was es für ein Unternehmen bedeutete, wenn es sich plötzlich auf einem freien Markt in einem starken Wettbewerbsumfeld behaupten muss.
Die Entwicklung neuer Versicherungsprodukte mit ihren Deckungen, die Tarifierung, die Markteinführung, die Zeichnungspolitik, der Kundenservice und natürlich die Schadensregulierung sind äusserst interessante Teile der Wertschöpfungskette der Versicherungsbranche, die sich ständig weiterentwickeln.
Was wünschen Sie sich von der künftigen versicherungsspezifischen Ausbildung?
Um den guten Ruf der Versicherungen zu erhalten und auch in Zukunft attraktiv für den Arbeitsmarkt zu sein, müssen wir auf allen Ebenen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung sorgen. Dies beginnt mit einer Grundausbildung, die entweder durch eine Lehre oder durch die verschiedenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Berufstätige erworben werden kann. So bilden wir derzeit mehr als 50 Auszubildende und Young Insurance Professionals aus, mit dem Ziel, sie nach Abschluss ihrer Ausbildung in unserem Unternehmen zu behalten.
Schulungen und Zertifizierungen für den Aussendienst sind eine weitere wichtige Säule der Ausbildung, um unseren Kunden einen grösstmöglichen Mehrwert in der Beratung bieten zu können.
Der Überblick über das Betriebsmodell einer Versicherung und die damit verbundenen Berufe ist meines Erachtens von grösster Bedeutung und muss einer Weiterbildung vorausgehen, die eine Spezialisierung in einem der spezifischen Bereiche ermöglicht.
Mein Wunsch wäre, dass sich alle Mitarbeitenden regelmässig Zeit für Aus- und Weiterbildung nehmen, um ihre Kompetenzen zu erweitern und über Trends, technologische Entwicklungen und Innovationen auf dem Laufenden zu bleiben. So erlangen sie Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, ihren persönlichen und wirksamen Beitrag zum grossen Ganzen unserer Unternehmung zu leisten. Denn ihnen ist wichtig, den Zweck ihres Handelns zu kennen und zu erleben.
Wie stellen Sie sicher, dass die Weiterbildungsinvestitionen einen Mehrwert generieren?
Jede Ausbildung bietet einen Mehrwert, sei es persönlich oder fachlich oder beides. Allein die Tatsache, dass man aus dem alltäglichen Umfeld herauskommt und mit anderen Ideen und Menschen ausserhalb des Unternehmens konfrontiert wird, fördert die Entwicklung. Wir achten darauf, dass die Ausbildung mit der Tätigkeit des oder der Mitarbeitenden in Verbindung steht. Sei es, um sich zu verbessern, sich auf den neuesten Stand zu bringen oder um neue Kenntnisse zu erwerben.
Was war die grösste Herausforderung in Ihrer bisherigen Tätigkeit als Personalleiterin, und wie haben Sie diese gemeistert?
Ich war erst wenige Monaten Personalverantwortliche, als wir ein strategisches Projekt zur Definition eines neuen Geschäftsmodells starteten, das eine umfangreiche Reorganisation der Funktionen mit Kundenkontakt beinhaltete. In Zeiten des Fachkräftemangels bestand die Herausforderung darin, keine Mitarbeitenden und ihre wertvollen Kompetenzen zu verlieren, um den Vertrieb, den Kundenservice und die Schadensabwicklung weiterhin zu gewährleisten.
Durch die aktive Beteiligung der Personalabteilung konnten wir unsere Rolle als verantwortungsbewusste und attraktive Arbeitgeberin wahrnehmen und praktisch alle Mitarbeitenden in das neue Modell integrieren. Zwar mussten einige den Arbeitsort wechseln, andere mussten interne Schulungen absolvieren, um neue Fähigkeiten zu erlangen, aber letztlich ist es uns gelungen, unsere Organisation in sehr kurzer Zeit zu stabilisieren und unsere Mitarbeitenden zufriedenzustellen.
Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, Weiterbildungsprogramme an die sich schnell ändernden Anforderungen der Assekuranzbranche anzupassen?
Die Ausbildungsprogramme müssen dynamisch und flexibel sein. Die Weiterbildungen müssen aus kurzen Einheiten bestehen, da es heute schwierig ist, mehrmals im Jahr eine Woche lang vom Arbeitsplatz abwesend zu sein. Deshalb sind flexible modulare Ausbildungen notwendig, die es ermöglichen, gezielt die Themen zu behandeln, die für die Teilnehmenden von Interesse sind.
Andererseits muss man offen bleiben und sich mit anderen Branchen beschäftigen, die schnelle und grosse Veränderungen erlebt haben, wie z.B. die Tourismusbranche. Dies, um zu verstehen, was mit einem traditionellen Versicherungsunternehmen passieren kann, wenn es sich nicht verändert, um den Erwartungen der Kunden gerecht zu werden.