04. Januar 2024 | Menschen
04. Januar 2024 | Menschen
Shqipe Boog, Versicherungsfachfrau mit eidg. Fachausweis, ist seit Januar 2022 Mitglied der Einsprachekommission für diesen Bildungsabschluss. Bereits etwas länger arbeitet sie ausserdem als VBV Prüfungsexpertin für das Wahlmodul Einzellebensversicherung. In der Einsprachekommission tritt sie deshalb bei Prüfungen im Modul Einzelleben jeweils in Ausstand. Nach ihrer Ausbildung im Bereich Einzelleben bei National Suisse wurde sie Stellvertreterin, dann Teamleiterin im Bereich Antragsverarbeitung Einzelleben bei Baloise und ist heute dort als Leiterin des Lernenden-Teams zuständig für die Ausbildung der Lernenden. Uns erzählt sie, warum und wie sich ein Engagement in der Berufsbildung auf jeden Fall auszahlt.
Was sind mit einem gewissen zeitlichen Abstand deine wesentlichen Take-aways aus deiner höheren beruflichen Bildung in der Assekuranz?
Durch die verschiedenen Module konnte ich mir ein breites und fundiertes Fachwissen in Versicherungsmodulen sowie Wirtschaft, Recht und Marketing aneignen. Dieses Wissen konnte ich in meiner ersten Führungsfunktion immer wieder erfolgreich einsetzen. Zudem konnte ich ein berufliches Netzwerk aufbauen und Kontakte zu anderen Fachleuten in der Branche sowie zum Berufsbildungsverband VBV knüpfen. Von deren Erfahrungen konnte ich profitieren und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für mich schaffen.
Was hat zum Seitenwechsel von der Studierenden zur Gremiumstätigkeit als Mitglied der Einsprachekommission geführt?
Nach Abschluss meines Versicherungsfachausweises vor mehr als zehn Jahren wurde ich vom Hauptexperten im Wahlmodul Einzellebensversicherung gefragt, ob ich Lust hätte, bei den Prüfungskorrekturen mitzuwirken. Das hat mich angesprochen, da ich früher das Gefühl hatte, dass die Prüfungsexperten zu streng bewerteten. Mir gefiel die Idee, mich zukünftig für die Studierenden einsetzen zu können.
Heute weiss ich, dass wir Prüfungsexpertinnen und -experten uns sehr zum Wohl der Studierenden engagieren und uns für sie einsetzen. Zur Einsprachekommission kam ich schliesslich durch mein Netzwerk. Ein ehemaliger Vorgesetzter fragte mich, ob ich Interesse an dieser Arbeit hätte. So bewarb ich mich für die Position und bin nun Teil dieses Gremiums.
Inwieweit kannst du die Sichtweise einer ehemaligen Studentin ins Gremium einbringen?
Durch meine eigene Erfahrung kann ich mich gut in die Lage der Studierenden versetzen und ihre Perspektive verstehen. Mein Abschluss als Versicherungsfachfrau hilft mir dabei, relevante Fragen zu stellen, mögliche Probleme zu identifizieren und Lösungsvorschläge aus Sicht der Studierenden einzubringen.
Auch meine Erfahrung als Prüfungsexpertin ermöglicht es mir, die Bewertung der Prüfung besser zu verstehen. Meine Sichtweise trägt dazu bei, dass meine Kollegen in der Einsprachekommission die Anliegen der Studierenden präziser nachvollziehen können.
Zudem agiere ich als Vorbild und Mentorin für meine Lernenden und stehe auch aktuellen Studierenden bei Fragen oder Problemen zur Seite. Ich kann ihnen auch Empfehlungen für Weiterbildungslehrgänge geben.
Welche Eigenschaften muss man für diese Tätigkeit mitbringen? Wie ist das Gremium zusammengesetzt?
Ein hohes Mass an Fachkompetenz und Erfahrung ist wesentlich, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Darüber hinaus sind Empathie und Sensibilität wichtig. Kommunikationsfähigkeiten sind ebenfalls unerlässlich, um dem Einsprechenden die Gründe für eine Entscheidung verständlich zu erklären.
Das Gremium besteht aus vier Personen, die über einen langjährigen beruflichen Hintergrund in der Assekuranz verfügen und unterschiedliche Ausbildungswege durchlaufen haben. Dadurch können wir einen umfassenden und differenzierten Blick auf die Versicherungsindustrie bieten.
Was sind die wesentlichen Aufgaben einer Einsprachekommission? Vor welchen Herausforderungen steht diese jeweils?
Unsere Aufgabe besteht darin, bei Einsprachen die Prüfungsergebnisse zu analysieren und zu entscheiden, ob die Einsprechenden rechtlich korrekt und fair beurteilt wurden, und somit eine Einsprache gutzuheissen oder abzulehnen.
Wir müssen uns mit komplexen Fragen im Zusammenhang mit der Ausbildung zum Versicherungsfachmann/zur Versicherungsfachfrau auseinandersetzen, sie verstehen, die geltenden Reglemente, Gesetze und Vorschriften kennen und anwenden und den Studierenden innerhalb einer angemessenen Frist eine rechtlich korrekte Entscheidung liefern.
Ist der Balanceakt zwischen reglementarischer Strenge und menschlicher Wertschätzung schwierig?
Ja, das kann durchaus eine Herausforderung sein. Es gilt eine faire und objektive Entscheidung zu treffen, die sowohl den Reglementen und Vorschriften entspricht als auch die individuellen Umstände und Bedürfnisse der Einsprechenden angemessen berücksichtigt. Zusammengefasst würde ich sagen, dass hier viel Fingerspitzengefühl und professionelles Urteilsvermögen gefragt sind.
Was bringt dir die Gremiumsmitarbeit beruflich? Was sind sonstige Beweggründe, dich in der Berufsbildung einzubringen?
Ich leite bei Baloise ein Team von 25 jungen Mitarbeitenden. Neben mir gehören fünf Ausbildner/-innen zu meinem Team, das aus 20 Lernenden aus drei Lehrjahren besteht. Unsere Aufgabe ist es, diese 20 Lernenden in verschiedenen Bereichen der Versicherungsbranche, wie Motorfahrzeug-, Sach-, Haftpflicht- und Einzellebensversicherung sowie in der Schadenbearbeitung im Bereich Motorfahrzeug, sowohl theoretisch als auch praktisch auszubilden und schliesslich in unserem Unternehmen zu platzieren.
Der Kern meiner Aufgabe liegt in der Ausbildung des Nachwuchses, und wenn ich meine Erfahrungen als Prüfungsexpertin oder Gremiumsmitglied weitergeben kann, erfüllt mich das.
Warum sollen sich ehemalige Studierende für die Berufsbildung in der Assekuranz engagieren?
Durch ihr Engagement können ehemalige Studierende ihr berufliches Netzwerk erweitern. Sie haben die Möglichkeit, Kontakte zu anderen Fachleuten in der Branche zu knüpfen und von deren Erfahrungen zu profitieren. Ausserdem können sie an der Entwicklung von Lehrplänen, Inhalten oder Prüfungsfragen mitwirken und als Prüfungsexperten/Prüfungsexpertinnen tätig sein, was zur Weiterentwicklung der Branche beiträgt. Insgesamt bietet das Engagement viele Vorteile für die persönliche Weiterentwicklung sowie zur Unterstützung der Branche und des Nachwuchses.